Holodeck, Knuffelkontakte und Generisches Diversum

Christine Gediga • Apr. 30, 2021

Arbeiten, leben und sprechen 2032 - remote, digital analog und gerecht

Neulich bei clubhouse: Die Moderierenden des Fundraising-Freitags fragten in die Runde, wie wir wohl im April 2032 fundraisen würden. Wie werden wir arbeiten und miteinander umgehen und sprechen? Wie werden wir leben und unsere Freizeit gestalten?


Remote arbeiten - das Holodeck

Ich meine - und da war ich nicht die Einzige an diesem Freitagmorgen, dass Arbeit und Leben immer mehr eins werden. Denn in einer vernetzten Welt können wir überall arbeiten, in der Hängematte oder auf dem Bett, von der Terrasse oder dem Balkon, vom geliebten Urlaubsort oder sogar vom Holodeck in unserer Wohnung. Hier treffen wir unser Kollegium in HD und vier Dimensionen, können - fast wie im wirklichen Leben - Meetings abhalten, auf dem Gang "schnacken" oder in der Kaffeeküche stehen und den Geruch von frischgebrühtem Kaffee - oder der nicht aufgeräumten Spüle - wahrnehmen. Nur den Kaffee müssen wir uns noch selbst überschütten, wenn gewünscht.

Es gibt keine festen Arbeitszeiten mehr, nur das Ergebnis zählt. Die Arbeit wird nach Aufgaben aufgeteilt. Wann ich diese Aufgabe erledige - ob Sonntag oder Mittwoch - bleibt mir überlassen, und auch, wie viel Zeit ich dafür brauche. Nur eine Frist schränkt mich ein bisschen ein. Meine Entlohnung ist sicher. Denn es gibt ein Grundeinkommen.

Das Grundeinkommen sichert meine Grundbedürfnisse, so dass ich mir meine Arbeit nach meinen Talenten und Fähigkeiten aussuchen kann. Das entlastet das Gesundheitssystem. Denn ich habe Spaß an dem, was ich arbeite und mit dem ich mir Geld hinzu verdiene. Und ich kann nicht auch noch ehrenamtlich engagieren, was die Gesundheit zusätzlich fördert. Das geht natürlich alles nur deshalb, weil Amazon, Google, Starbucks und Co. endlich ihre Steuern da zahlen, wo sie ihre Umsätze machen: in fast jedem Land der Welt.


Digital analog leben - Knuffelkontakte bleiben existentiell

Für die Freizeit bietet das Holodeck oder die Hologramm-Kontaktlinse Spaß und Erholung in neuer Form und erweitert unseren Radius. Natürlich werden wir auch 2032 noch reisen, aber vielleicht nicht mehr so weit, und wir werden körperlich viel aktiver sein, mit dem Fahrrad fahren, im jungen Wald wandern (Der Mischwald hat sich 2032 als gesunde Aufforstungsform überall durchgesetzt.) und mit befreundeten Menschen picknicken. Denn wie wertvoll und wichtig persönliche (Knuffel)Kontakte für unser Wohlbefinden sind und wie schön ein Picknick unter freiem Himmel ist, haben wir in der Corona-Pandemie erfahren.

In der virtuellen Realität unserer 4D-Welt erleben wir Reisen in fernste Länder, ohne unsere gewohnte Umgebung zu verlassen. Wir können das Wrack der Titanic besuchen - ohne Tauchausrüstung, aber mit Geräuschen und Engegefühl des Tauchens. Wir reisen auf einem Schiff über die Weltmeere - ohne CO2-Ausstoß, aber mit Käptn´s-Dinner gebracht vom Italiener um die Ecke. Die Achterbahn, vor der wir uns vielleicht in Wirklichkeit fürchten, wird jetzt zum Spaßevent - ohne Angst, aber mit Magenkribbeln. (Schon heute gibt es Seiten im Netz, auf denen Sie durch Städte fahren und dabei den lokalen Radiosender hören können, z. B. Drive&Listen.)

Natürlich kommt die Energie, die wir für all diese Aktivitäten brauchen aus erneuerbaren Quellen, denn seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April 2021 hat die Regierung den Klimaschutz als erste Priorität auf die Agenda gesetzt. Und wir haben seit September eine grüne „Kanzle“ (gesprochen `kanzlä`). Autos fahren mit Brennstoffzellen, Sonne und Wind sind unsere Stromlieferanten, das Recycling funktioniert in der neuen Circular Economy und reduziert Müll und die Gleichstellung der Geschlechter schreitet voran.

Generisches Diversum - Gender-Sprachreform führt zu mehr Gleichstellung

2032 haben auch die letzten Zweifelnden erkannt, dass Sprache das Bewusstsein und die Wahrnehmung beeinflusst, und haben sich an das Gendern gewöhnt. 

Das Partizip ist dort, wo es Sinn ergibt, als neutrale Form zur Regel geworden: Studierende, Forschende, Teilnehmende, Mitwirkende, Mitarbeitende, Arbeitgebende, Datenschützende, Auto- oder Radfahrende, zu Fuß gehende, miteinander Sprechende (statt Gesprächspartner*innen), Schauspielende, Lehrende, Beratende, Entscheidungentragende etc. klingen nun ganz normal in unseren Ohren. Und man kann grundsätzlich zwar aus jedem Verb ein substantiviertes Partizip machen, doch nicht immer ergibt das Sinn, wie bei Bürgende statt Bürger*innen, Kaufende statt Kund*innen etc.. Für viele Begriffe haben wir neue Wörter gefunden und sagen statt Generalist*innen Multitalente, statt Kellner*innen Bedienungen, statt „jede*r macht was er*sie will“ sagen wir „alle machen, was sie wollen“ und die Ansprechpartner*innen sind nun Ansprechpersonen. Der Muttertag ist dem Elterntag gewichen und Vaterland oder Muttersprache sind nun Elternland und Elternsprache.

Und für die Wörter, für die wir kein Partizip und auch kein anderes Wort finden konnten, gab es eine weitere Rechtschreib- bzw. Sprachreform, die uns das Generische Diversum oder - wie in Schweden - Genus Utrum bescherte. Weibliche und andere Formen werden nicht mehr mit Sternchen, Gap oder Doppelpunkt und „innen" wie Anhängsel an die maskuline Form behandelt, sondern es sind nun wirklich immer alle gemeint. Der bestimmte Artikel „de“ (ausgesprochen: `dä´) wie das englische „the“ oder das schwedische „hen“ hat „der“, „die“ und „das“ ersetzt (Der unbestimmte Artikel bleibt: „ein, eine, zwei, viele Journaliste“). 

Dank der (sozialen) Medien und einer zügigen Umstellung in der Behördensprache hat sich diese Reform schnell überall verbreitet. Statt Kund*innen sagen wir nun für alle Menschen und sowohl im Singular als auch im Plural „de Kunde“ (das „e“ immer gesprochen wie ein `ä´) und: „de Arzte“, „de Heilende“, „de Helde“, „de Fördere“, „de Pianiste“, „de Pilote“, "de Administratore", „de Manage“, „de Laie“, "de Verbrauche" und "de Verbraucheschütze", "de Meiste", "de Bürge" und „de Bürgemeiste“, „de Autore“, "de Urhebe", „de Doktore“, „de Chefe“, "de Gaste" etc., statt "jede*r Vierte" "jede Vierte", und meine Freund*in ist nun auch "deine Freunde". - Probieren Sie es mal mit Ihrem Beruf oder anderen Wörtern! - Und mit Hilfe der Autokorrektur aller digitalen Textprogramme verschreibt sich auch niemand mehr in die alte Form.

Englische Wörter bleiben ungebeugt, quasi unbeugsam gegenüber dem Generischen Diversum. Es heißt nun: „de Fan“, „de Star“, „de Boss“, „de Speaker“, „de Influencer“, „de User“ etc. 

Schöne neue Welt, wie sie mir gefällt. Und ich freue mich über Kommentare und weitere Ideen von Ihnen und euch an gedigafr@posteo.de oder über Instagram und LinkedIn.

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